Sicherheitsanforderungen

In der Norm IEC 60947-1 sind folgende Definitionen in Bezug auf Selektivität enthalten.

Überstromschutz-Koordinierung von Überstromschutzeinrichtungen (2.5.22)
Koordinierung von zwei oder mehr Überstromschutzeinrichtungen in Serie, um die Überstrom-Diskriminierung (Selektivität) und/oder den Back-up-Schutz sicherzustellen.

Überstromselektivität (2.5.23)
Koordinierung der Betriebseigenschaften von zwei oder mehr Überstromschutzeinrichtungen, so dass beim Auftreten von Überströmen in den angegebenen Grenzen das Gerät, das innerhalb dieser Grenzen funktionieren soll, auslöst, während andere Geräte nicht auslösen.

In der Norm IEC 60947-2 sind folgenden Definitionen in Bezug auf die Selektivität enthalten.

Überstromselektivität (2.17.1)
Koordinierung der Betriebseigenschaften von zwei oder mehr Überstromschutzeinrichtungen, so dass beim Auftreten von Überströmen in den angegebenen Grenzen das Gerät, das innerhalb dieser Grenzen funktionieren soll, auslöst, während andere Geräte nicht auslösen.

Volle Selektivität (2.17.2)
Überstromselektivität bei Vorhandensein von zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Schutz bestimmt, ohne eine andere Schutzeinrichtung in Betrieb zu setzen.

Teil-Selektivität (2.17.3)
Überstromselektivität bei Vorhandensein von zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe, wobei die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Schutz bis zu einem gewissen Überstromniveau bestimmt, ohne eine andere Schutzeinrichtung in Betrieb zu setzen.

Selektivitätsgrenzstrom Is (2.17.4)
Der Selektivitätgrenzstrom ist ein Grenzwert des Stroms:

• unterhalb dessen bei zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe die Schutzeinrichtung auf der Lastseite rechtzeitig den Ausschaltvorgang ausführt, um andere Schutzeinrichtungen am Auslösen zu hindern (d.h. die Selektivität ist gewährleistet);
• oberhalb dessen bei Vorhandensein von zwei Überstromschutzeinrichtungen in Reihe die Schutzeinrichtung auf der Lastseite den Ausschaltvorgang nicht rechtzeitig abschließen kann, um eine andere Schutzeinrichtung am Auslösen zu hindern (d.h. die Selektivität ist nicht gewährleistet).

Selektivitätskategorien (4.4)
Die Selektivitätskategorie eines Leistungsschalters wird dahingehend bestimmt, ob er unter Kurzschlussbedingungen durch eine absichtliche Zeitverzögerung in Bezug auf andere in Reihe geschaltete Leistungsschalter auf der Lastseite speziell für die Selektivität vorgesehen ist.

• Selektivitätskategorie A: Leistungsschaltertyp ohne Icw (angegeben für die Energieselektivität) 
• Selektivitätskategorie B: Leistungsschaltertyp mit Icw (angegeben für die Zeitselektivität)
• Icw: Bemessungskurzzeitstromfestigkeit (weitere Informationen siehe Artikel 4.3.5.4 von IEC 60947-2 Ausgabe 4.2)

Weitere Informationen finden Sie in den Punkten 4.4 und Tabelle 4 der Norm IEC 60947-2 Ausgabe 4.2

Dieser technische Bericht ist ein Anwendungsleitfaden für die Bestimmung der Selektivität zwischen Überstromschutzeinrichtungen von Niederspannungsschaltanlagen. Er gibt einen Überblick über die Definitionen der Terminologie und enthält Anwendungsbeispiele. Dieser Bericht befasst sich nicht mit anderen Schutzformen wie Leistungsumkehr-, Distanz- und Lichtbogenschutz.

Der Technische Leitfaden CEI 99-4, auch wenn für den italienischen Markt und dessen Regeln bestimmt, basiert auf einer Reihe von IEC-Normen, die wichtige Vorschriften und Regeln für die Entwicklung und den Bau von MS/NS-Umspannwerken von Endkunden/Anwendern (passive Nutzer) enthalten.
Insbesondere Anhang F des Leitfadens fokussiert die wichtigsten Aspekte der selektiven Koordinierung von Schutzvorrichtungen. Er definiert die verschiedenen Methoden der selektiven Koordinierung und gibt einige praktische Beispiele, wie Selektivität für MS/NS-Geräte erreicht werden kann.

Die Methoden, die selektive Koordinierung zwischen den Schutzvorrichtungen zu realisieren, sind:

Koordinierung durch Variation der Auslösezeiten:
Diese Koordinierung ist erreichbar durch den Einsatz von Schutzvorrichtungen mit abhängiger oder unabhängiger Auslösezeitfunktion, oder bei einer Kombination von beidem, die in geeigneter Weise eingestellt sind. Die Auslösezeiten müssen mit zunehmender Nähe zur Energiequelle erhöht werden.

Koordinierung durch verschiedene Fehlerströme:
Dieser Typ von Koordinierung eignet sich besonders im Falle von Schutzvorrichtungen, die an beiden Enden von Verbindungen mit signifikanter Impedanz positioniert sind (Transformatoren, strombegrenzende Blindwiderstände, Niederspannungsleitungen). Die Selektivität zwischen den beiden Geräten wird für alle Stromwerte garantiert, für die gilt:

I > a • I''_k2

wobei:

 I''_k2  Kurzschlussstrom ist, wenn ein Fehler nach der Impedanz a der Koeffizient ist, wobei die Stromasymmetrie zu berücksichtigen ist.

Für die Stromwerte, welche die obigen Formel verifizieren, benötigt die Schutzvorrichtung auf der Versorgungsseite keine beabsichtigten Verzögerungen. Für niedrigere Stromwerte kann Selektivität durch Timing erreicht werden.

Koordinierung durch Beschränkung der durchgelassenen Energie:
Diese Koordinierung findet in NS-Systemen Anwendung, und zwar durch die Nutzung von in Reihe geschalteten Schutzvorrichtungen, die aufeinander abgestimmt sind, so dass die Energie, die von der nachgeschalteten Vorrichtung begrenzt wird, kleiner als die Energie ist, die das vorgeschaltete Gerät auslöst. Diese Art der selektiven Koordinierung wird durch strombegrenzende Sicherungslasttrennschalter und Leistungsschalter mit Sofortauslöseeinheit erreicht.

Koordinierung durch Dialog (Datenaustausch):
Diese Art der selektiven Koordinierung wird mit Schutzvorrichtungen erreicht, die in Reihe geschaltet und über Steuerleitung oder IEC 61850-Protokoll verbunden sind. Die Geräte, die einen Stromfluss erkennen, der höher als die Auslöseschwelle ist, senden ein Warte- oder Sperrsignal/eine Meldung an das Gerät, das unmittelbar vorgeschaltet ist, um es zu blockieren. Das Gerät, das unmittelbar vor dem Fehler geschaltet ist, erhält das Warte- oder Sperrsignal/die Meldung nicht, und es wird erst nach der Verzögerung ausgelöst, die für den Datenaustausch erforderlich ist. Dies macht es möglich, die gleiche Auslösezeit für alle Geräte in der Selektivitätskette festzulegen. Diese Koordinierung eignet sich besonders, wenn mehrere Geräte verwendet werden.