Retrofit für die S-Bahn Berlin

Ein innovatives, modulares Modernisierungskonzept von ABB bringt die traditionsreiche Ringlinien-Baureihe 480 der S-Bahn Berlin auf den neuesten Stand der Technik. So wird ein zuverlässiger, energieeffizienter Weiterbetrieb der Fahrzeuge möglich – bei gleichzeitig geringeren Betriebskosten.

Ausfälle kann sich die Berliner S-Bahn nicht leisten. Sie befördert täglich bis zu 1,4 Millionen Personen. Eine der beliebtesten und meistbefahrensten Strecken ist dabei die Berliner Ringbahn. Auf fast einem Drittel des gesamten S-Bahn-Netzes verkehren hier seit den frühen 90er-Jahren die Züge der Baureihe 480. Um die S-Bahnen über das ursprünglich für 2017 geplante Einsatzende hinaus für weitere acht bis zehn Jahre stabil und kosteneffizient einsetzen zu können, beauftragte die DB Regio im Rahmen eines umfangreichen Modernisierungsprogramms ABB mit der Erneuerung der Leistungselektronik.

Modernisierung der Baureihe 480 der S-Bahn Berlin

Für 70 Viertelzüge wurden 140 Antriebscontainer mit der neusten IGBT-Technologie (Insulated-Gate Bipolar Transistor) ausgestattet – bei gleichzeitiger Anbindung der Traktionssteuerung an die bestehende Fahrzeugleittechnik. „Die Tatsache, dass nur die Antriebstechnologie modernisiert wurde und alle mechanischen, elektrischen und signaltechnischen Schnittstellen erhalten bleiben, machen dieses Projekt in Hinblick auf seine Komplexität und die damit verbundenen technischen Herausforderungen einzigartig“, so Markus Bernd, Leiter Vertrieb & Service Traction bei der ABB Automation Products GmbH .

Lösungen für die Herausforderungen des Nah- und Fernverkehrs

Für die Modernisierung der Berliner S-Bahn-Züge entwickelte ABB einen neuen innovativen Ansatz: Nach dem Plug-and-Play-Prinzip werden verschlissene und kaputte Teile der Leistungselektronik funktionsgleich erneuert oder instandgesetzt. Es findet also eine Teilmodernisierung und kein Komplettumbau statt. Das Leuchtturmprojekt wurde in enger Kooperation zwischen den Geschäftseinheiten Traction in der Schweiz und in Deutschland durchgeführt. Das Engineering, die Modul- und Komponentenfertigung sowie die Aufarbeitung des Antriebscontainers für das erste Fahrzeug erfolgten in der Schweiz. Für die serienmäßige Aufarbeitung der Antriebscontainer zeichnete ABB in Deutschland verantwortlich.

Einbau der ABB-Technik in ein Fahrzeug der S-Bahn Berlin
Einbau der ABB-Technik in ein Fahrzeug der S-Bahn Berlin
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Modulare Retrofitantriebstechnik

Das robuste Antriebsmodul versorgt die Antriebsmotoren zweier Drehgestelle parallel, aber voneinander unabhängig. Alle vorhandenen Leistungs- und Steuerungskabel verbleiben im Fahrzeug. Basierend auf der skalierbaren, speicherprogrammierbaren Steuerungsplattform (SPS) AC500 von ABB wurde zudem eine Schnittstellenelektronik entwickelt, um die neuen IGBT-Umrichter mit der vorhandenen Fahrzeugsteuerung zu verbinden. Zusätzlich erneuerte ABB auch die Hilfsbetriebeumrichter und führte eine Aufarbeitung der vorhandenen Batterieladegeräte durch.

Vor der Auslieferung und Installation prüfte ABB noch einmal alle Komponenten zur Qualitätssicherung auf Herz und Nieren. Die Testphase bestand aus einer Reihe unterschiedlicher Einzeltests. Unter anderem wurden eine Isolations- und Hochspannungsprüfung sowie mit Hilfe einer Testeinheit eine Antaktung des Kernmoduls durchgeführt. Bei der Funktionsprüfung wiederum wurde getestet, ob alle Kontakte an der richtigen Stelle sitzen und die Verknüpfungen funktionieren. Die ersten Umbausätze konnten so schon fünf Monate nach der Bestellung geliefert werden.

Zuverlässiger, wartungsfreundlicher und energiesparender

Der wartungsfreundliche, modulare Aufbau mit standardisierten Leistungsmodulen garantiert eine hohe Ersatzteilverfügbarkeit und minimiert die Fahrzeugbetriebskosten. „Unser Ansatz ersetzt konsequent nur die Teile, die tatsächlich veraltet sind, nicht mehr funktional benötigt werden oder bereits in unsere Standard-PEBBs (Power Electronic Building Blocks) integriert sind. Durch den Einbau der neuen Komponenten in den vorhandenen Traktionscontainer nutzen wir die vorgegebene Fahrzeugstruktur ohne Änderungen an der mechanischen Seite“, erläutert Bernd.

Im Vergleich zu einem klassischen Komplett-Retrofit ist die Ausführung somit schneller und die Gesamtmenge des ausgetauschten Materials wird reduziert oder kann wiederverwendet werden, was sich positiv auf die Kosten und die Umwelt auswirkt. So sind die neuen Komponenten auch deutlich kleiner, was wiederum die Gesamtgewichtsbilanz des Fahrzeugs verbessert. Durch den Einsatz modernster IGBT-Technologie können zudem die Schaltverluste deutlich reduziert werden. Dies führt letztendlich zu einem höheren Wirkungsgrad gegenüber der alten Thyristortechnik. Der Retrofit verlängert somit nicht nur die Lebensdauer, sondern reduziert auch den Energieverbrauch der S-Bahn-Züge erheblich.

Fit für mindestens weitere acht bis zehn Betriebsjahre

Für die Berliner S-Bahn hat sich die Kooperation in jeder Hinsicht gelohnt: Mit ABB konnte die Baureihe-480-Flotte effizient und energiesparend modernisiert und der Fahrbetrieb um mindestens weitere acht bis zehn Jahre über die Berliner Schienen sichergestellt werden. Und auch für die Zukunft ist man gerüstet. Das neue Antriebsmodul wird mit einem Diagnosewerkzeug geliefert, das Signale, Parameter und Zustände des Traktionssystems visualisiert. Es enthält eine fortschrittliche Selbstdiagnosefunktion, die Instruktionen für Unterhalt und Reparatur gibt. Zukünftig lässt sich das System somit auch um Remote Diagnostics erweitern.

Damit können Service- und Lifecycle-Ingenieure auf die Diagnosedaten des Umrichters (Signale, Parameter, Ereignisse und Zustandsdaten) jederzeit aus der Ferne zugreifen und ohne direkt mit dem Wartungsrechner an das Ethernet-Netzwerk der Steuerungsplattform angeschlossen zu sein. Ein schnellerer, zuverlässigerer und sichererer Ferndiagnosedatenzugriff führt zu kürzeren Reparaturzeiten und geringeren Wartungskosten. Dadurch werden etwaige Anfangsinvestitionen in die Fernzugriffsinfrastruktur schnell kompensiert.

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