Auswahl und Umgebungsbedingungen von Überstrom-Schutzeinrichtungen am Beispiel von Sicherungsautomaten


Auslegung von Kabel- und Leitungssystemen in und an Gebäuden nach DIN VDE 0298-4

Bei der Auslegung von Kabel- und Leitungsanlagen sind Anforderungen zu berücksichtigen, die den sicheren Betrieb und den Schutz im Fehlerfall ermöglichen. Die Auslegung von Kabel- und Leitungsanlagen bezüglich der Strombelastbarkeit für die Anwendung in und an Gebäuden erfolgt üblicherweise nach DIN VDE 0298-4 (Geltungsbereich beachten!), wobei die Anforderungen im Zusammenhang mit der Ausrüstung von Maschinen in DIN EN 60204-1 (VDE 0113-1) aufgeführt sind.

Ziel ist es, gegen thermische Überbeanspruchung sowohl im Überlastfall, als auch im Kurzschlussfall zu schützen und Kabel/Leitungen so auszulegen, dass die im Betrieb zu erwartenden Einflüsse keine unzulässigen Auswirkungen verursachen.

Die Auslegung von Kabel- und Leitungsanlagen erfordert die Berücksichtigung von unterschiedlichsten Parametern, wie:

  • Betriebsstrom des Stromkreises
  • Art der Verlegung von Kabel/Leitungen
  • Leitungstyp
  • Umgebungsbedingungen usw.

Bei der Ermittlung der kennzeichnenden Werte hat sich folgende Vorgehensweise bewährt: 

  1. Festlegung des zu erwartenden maximalen Betriebsstroms Ib des zu schützenden Stromkreises

  2. Festlegung der Verlegeart(en), z. B. aufgrund von baulichen Gegebenheiten

  3. Ermittlung erforderlicher Reduktionsfaktoren f1 , f2, … (z. B. bei Häufung, abweichender Umgebungstemperatur, etc.) ggf. Berechnung eines neuen, fiktiven Betriebsstroms Ib,neu gemäß
    Berechnung Betriebsstrom


  4. Bestimmung der notwendigen Strombelastbarkeit I z des Kabels/der Leitung auf Basis von Ib bzw. Ib,neu

  5. Auswahl des Kabel-/Leitungstyps und -querschnitts

  6. Zuordnung der Überstrom-Schutzeinrichtung (Typ, Charakteristik, Bemessungsstrom) unter Beachtung der angeschlossenen Betriebsmittel

  7. Ermittlung der maximalen zulässigen Leitungslänge für jeden Leitungsabschnitt

  • aufgrund des zulässigen angenommenen Spannungsfalls
  • aufgrund der erforderlichen Abschaltzeiten für den Schutz gegen elektrischen Schlag (Fehlerschutz)
  • soweit zutreffend ggf. Erhöhung des Leiterquerschnitts oder Reduzierung des Bemessungsstroms der Schutzeinrichtung

Weitere Informationen und praktische Beispiele und Berechnungsbeispiele haben wir in unserer Broschüre zusammengestellt: Klicken Sie hier.


Auswahl und Unterschiede von Auslösecharakteristiken

Für Standardanwendungen und unter Voraussetzung einer Spannung von 230/400 V AC im TN Netz kann die Auswahl auf folgende fünf Kriterien reduziert werden:

5 Kriterien zur einfachen Auswahl*:
  1. Anzahl Pole
  2. Auslösecharakteristik
  3. Norm bzw. Anwendung
  4. Bemessungsstrom
  5. Bemessungsausschaltvermögen

*Netztyp und Spannung mit 230/400 V AC vorausgesetzt

Unter folgendem Link kann der Online-Katalog genutzt werden um mit diesen und weiteren Filtern die beste/korrekte Auswahl zu treffen: eConfigure Produktkatalog.

Auslösecharakteristiken für Sicherungsautomaten

In DIN VDE 0100-430 sind die Anforderungen für den „Schutz von Kabeln und Leitungen bei Überstrom“ festgelegt. Sicherungsautomaten dienen dem Kabel- und Leitungsschutz in der Installation. Sie sollen selbsttätig abschalten, sobald der Strom durch Anstieg und Zeitdauer eine für die Leitung oder ein Betriebsmittel zu hohe Erwärmung erzeugt.

Die Abschaltung erfolgt dabei über zwei unterschiedliche Auslöser. Zum Schutz bei Kurzschluss wird der zeitlich nahezu unverzögerte Elektromagnetauslöser eingesetzt. Dieser arbeitet nur stromabhängig. Der Thermo-Bimetall-Auslöser dient zum Schutz bei Überlast. Das Auslösen wird durch die Erwärmung, d.h. durch die Faktoren Strom und Zeit verursacht. 

Die einzelnen Auslösekennlinien von Elektromagnet-Auslöser und Thermo-Bimetall-Auslöser ergeben zusammen eine gemeinsame Auslösekennlinie für den Überlastschutz. Diese Auslösekennlinie stellt – bezogen auf die jeweilige Auslösecharakteristik – das Zeit-/Stromverhalten eines Sicherungsautomaten dar.


Dem Wunsch nach größtmöglichem Schutz, was höchste Empfindlichkeit der Sicherungsautomaten bedeutet, stehen die unterschiedlichen Betriebseigenschaften der zu schützenden Verbrauchsgeräte gegenüber. Zum Einen müssen Stromspitzen ungehindert passieren können, zum Anderen muss aber schon bei verhältnismäßig niedrigen, länger anstehenden Überströmen eine Abschaltung herbeigeführt werden.

Deshalb sind je nach Art des zu schützenden Betriebsmittels verschiedene Auslösecharakteristiken für Sicherungsautomaten erhältlich:
  • B, C und D für den Überstromschutz von Leitungen nach DIN EN 60898-1 (DIN VDE 0641-11)
  • K zum Schutz von Wicklungen bei Motoren und Transformatoren bei gleichzeitigem Überstromschutz der Leitungen
  • Z für Steuerstromkreise mit hohen Impedanzen, für Spannungswandlerkreise und für Halbleiterschutz bei gleichzeitigem Überstromschutz von Leitungen

Die thermische Auslösung der B, C und D Charakterisitik unterscheiden sich nicht. Lediglich die magnetische Auslösung variiert:
  • B: 3-5 x In
  • C: 5-10 x In
  • D: 10-20 x In

K und Z sind Ergänzungen zu den o.g. Auslösecharakteristiken und haben folgende magnetische Grenzen:
  • Z: 2-3 x In
  • K: 10-14 x In

Die thermische Auslösung orientiert sich näher am Betriebsstrom und sicherte eine Auslösung bei 1,2xIn innerhalb von 60 min. zu. Im Vergleich zu 1,45xIn bei B, C und D Auslösecharakteristiken.

Weiter Informationen und Vergleiche der einzelnen Auslösecharakteristiken finden Sie hier: Hier klicken.


Anpassung der Auswahl an reale Umgebungsbedingungen

Die Auslegung von Sicherungsautomaten oder FI-/LS-Schaltern erfolgt meist auf Basis von Katalogwerten. Das heißt ein Gerät mit einem Bemessungsstrom von beispielsweise 10A kann mit einer Auslösecharakteristik B bei einer Umgebungstemperatur von 30°C mit dem Bemessungsstrom von 10A genutzt werden. Bei einer Abweichung, z.B. bei 50°C Umgebungstemperatur, sollte dieser B10 Sicherungsautomat lediglich mit einem Strom von 8,8A belastet werden. So ist sichergestellt, dass es zu keiner ungewollten Auslösung kommt.  Wesentliche Deratingfaktoren:
  • Abweichende Umgebungstemperatur
  • Aneinanderreihung von Geräten
  • Von 50/60 Hz abweichende Frequenz


Abweichende Umgebungstemperaturen

ABB Sicherungsautomaten können laut Katalog bei Temperaturen von -25° bis +55° Celsius eingesetzt werden. Die entsprechenden max. Bemessungsströme für B und C Auslösecharakteristiken bei der angepassten Umgebungstemperatur sind der Tabelle zu entnehmen:


Aneinanderreihung von Geräten

Bei dichter Aneinanderreihung und gleichmäßig hoher Belastung der Sicherungsautomaten muss ein Korrekturfaktor berücksichtigt werden:

Beispiel:

Einsatz von 8 aneinander gereihten Sicherungsautomaten S201-C16 bei 40 °C Umgebungstemperatur

Bemessungsstrom In = 16 A

Max. Betriebsstrom bei 40 °C = 15,1 A

Faktor F = 0,75

In = 15,1 A x 0,75 = 11,33 A

Ergebnis: Der Betriebsstrom kann maximal 11,33 A betragen.

Von 50/60 Hz abweichende Frequenz


Die magnetische Auslösung eines Sicherungsautomaten ändert sich bei abweichenden Frequenzen entsprechend der folgenden Korrekturfaktoren:

Das bedeutet, dass ein Sicherungsautomat der B-Auslösecharakteristik bei Nutzung mit DC-Spannungen nicht mehr die folgenden Schwellwerte hat

  • B: 3-5 x In

sondern sich mit dem Fakter 1,5 die Grenzwerte so einstellen:

  • B: 4,5-7,5 x In



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