Klimaschutz und Energieeffizienz sind wichtige Ziele für die Betreiber des Zentralklärwerks Mussum der Stadt Bocholt. Bei zwei Neuinvestitionen für das Rückschlammpumpwerk II sowie die Flockungsfiltration setzt man auf ABB-Antriebspakete aus hocheffizienten IE5-Synchronreluktanz-motoren und Ultra-Low Harmonic Drives ACS880-31.
Sämtliche im Kanalnetz gesammelten Abwässer aus Haushalten und Betrieben der nordrhein-westfälischen Stadt Bocholt, aber auch ein großer Teil des Regenwassers aus Straßeneinläufen und Dachentwässerungen, werden dem Zentralklärwerk im Ortsteil Mussum zugeleitet, das sich am westlichen Rand des Industrieparks Bocholt befindet. Mit einer Kombination aus mechanischen, chemischen und biologischen Verfahren werden dort die Abwässer behandelt, um sie dann wieder gereinigt dem Flusslauf Alte Aa zuführen.
Die moderne Kläranlage ist auf eine Behandlung von 225.000 Einwohnerwerten ausgelegt. Täglich bis zu 108.000 Kubikmeter Abwasser können dort behandelt werden. Die dabei anfallenden Schlämme werden über Zentrifugen eingedickt und dann zur Ausfaulung in zwei Faulbehälter gepumpt. Das im Faulprozess anfallende Klärgas wird im betriebseigenen Blockheizkraftwerk zur Energieerzeugung genutzt. Das Klärwerk erzeugt im Jahr mittels Biomasse, Photovoltaik und Windenergie rund 6,3 Millionen Kilowattstunden Strom aus erneuerbaren Energien, verbraucht aber nur 3,3 Millionen Kilowattstunden, ist also ein Überschusseinspeiser.
Klimaschutz und Energieeffizienz sind neben der Ersatzbeschaffung zentrale Aspekte, wenn es in der Kläranlage um Investitionen geht. Andreas Wehren ist dort seit zehn Jahren Betriebsleiter. Er sagt: „Wir wollen aus Gründen des Klimaschutzes immer energieeffizienter werden. Als ich die Kläranlage als Leiter übernommen habe, haben wir noch knapp fünf Millionen Kilowattstunden für den Betrieb benötigt. Jetzt brauchen wir im Schnitt etwa drei Millionen, unter anderem weil wir viel in energieeffiziente Technik investiert haben.“
Klimaschutz und Energieeffizienz sind zentrale Aspekte, wenn es in der Kläranlage um Investitionen geht.
Im Jahr 2020 waren an zwei Anlagen Neuinvestitionen fällig, bei der Flockungsfiltration und dem Rückschlammpumpwerk II. In beiden Anlagen haben sich die Verantwortlichen des Klärwerks für den Einsatz von ABB-Antriebspaketen aus IE5-Synchronreluktanzmotoren und Industrial Drives ACS880-31 entschieden.
Super-Premium-Effizienz und Teillastbetrieb wichtig
Die insgesamt sieben Antriebspakete beinhalten aufeinander abgestimmte Synchronreluktanzmotoren und Frequenzumrichter. Durch das Konstruktionsprinzip des Synchronreluktanzmotors wird bei dem Rotor auf Wicklungen oder Magnete verzichtet, er besteht lediglich aus Blechpaketen aus Elektrostahl, die das Rotorpaket bilden. In Gegensatz zu einem Asynchronmotor fließt im Rotor eines Synchronreluktanzmotors kein Induktionsstrom und somit gibt es auch keine Verluste.
Neben der Super-Premium-Effizienz schätzt Andreas Wehren an den ABB-Synchronreluktanzmotoren den guten Teillast-Wirkungsgrad. „Der Betrieb in Teillast ist wichtig, weil wir in der Kläranlage viele Regelungsprozesse haben, wie etwa für die hydraulische Anpassung oder die Luftmengenregelung. Durch die zunehmenden Trockenperioden fahren wir inzwischen mehr Teillast als Volllast. Früher wurde das noch mit An-Aus geregelt. Heute passen wir den Betrieb mithilfe von Frequenzumrichtern feiner an. Wir haben deshalb inzwischen bei uns mindestens 50 Frequenzumrichter laufen.“
Sauberes internes Netz
Ultra-Low Harmonic Drives ACS880-31 regeln die neuen Motoren. Die kompakten Frequenzumrichter erzeugen außergewöhnlich geringe Oberschwingungen und übertreffen die in den Empfehlungen für einen geringen Oberschwingungsgehalt enthaltenen Anforderungen.
Etwaige Probleme mit dem Netzbetreiber wegen hoher Oberschwingungen waren nicht ausschlaggebend, die Geräte anzuschaffen, denn das Klärwerk betreibt ein eigenes Stromnetz. Andreas Wehren erläutert: „Wir haben uns für diese Frequenzumrichter entschieden, weil wir intern ein sauberes Netz brauchen, damit unsere Messtechnik nicht gestört wird. Je mehr Oberwellen man hat, desto mehr Probleme gibt es.“ Außerdem werden alle elektrischen Komponenten der Anlage geschont, da die reduzierten Oberschwingungsströme zu geringerer Erwärmung und damit zu einer höheren Lebenserwartung führen.
Technik von ABB wird im Zentralklärwerk in Mussum schon seit vier Jahrzehnten eingesetzt. In den 1980er-Jahren wurden die ersten Steuerungen von ABB angeschafft, denen bald Frequenzumrichter folgten. Das Know-how für die Installation und Programmierung der Technik hat man sich im Haus selbst angeeignet.
Dazu der Betriebsleiter: „Wir haben uns mit ABB gemeinsam weiterentwickelt. An den heutigen Frequenzumrichtern und Steuerungen schätze ich, dass sie auch aufwärtskompatibel sind. Wir haben ABB als Standard bei der Antriebstechnik festgelegt. Mit der Betreuung durch das Unternehmen sind wir ebenfalls zufrieden.“
Neue Antriebstechnik für das Rückschlammpumpwerk II
Vier der neuen ABB-Antriebspakete sind seit Oktober 2020 im Rückschlammpumpwerk II im Einsatz. Bei der Kläranlage gelangt das Abwasser nach einer mechanischen Vorreinigung in die Belebungsbecken. Hier erfolgt durch Mikroorganismen der Abbau der Schmutzstoffe. Die Bakterien schweben dabei als Schlammflocken frei im Wasser und werden mithilfe von Rührwerken oder durch Einblasen von Luft in Schwebe gehalten. Die eingeblasene Luft dient zur notwendigen Sauerstoffversorgung der aeroben Bakterien.
Andreas Wehren erklärt: „Die Bakterien im Schlamm sind unsere Arbeiter. Ein Teil des Schlamms, der sich im Nachklärbecken vom gereinigten Abwasser absetzt, muss ständig zum ankommenden Rohwasser rückgefördert werden, damit der Kreislauf geschlossen bleibt. Das macht das Rückschlammpumpwerk II zu einem der wichtigsten Pumpwerke.“
Nach einer Potenzialanalyse aus dem Jahr 2014 sollten die sechs vorhandenen Rückschlammpumpen gegen sechs gleiche Pumpen mit höherer Förderleistung ausgetauscht werden. Der Austausch hätte zum damaligen Zeitpunkt das Fördervolumen aber nur unwesentlich erhöht. Der Energieverbrauch wäre dagegen von 148 Kilowattstunden auf 222 Kilowattstunden gestiegen.
Mit Hilfe der maschinellen und energetischen Optimierung des Rückschlammpumpwerks II ist es nun Ziel, den Energieverbrauch der Kläranlage Bocholt weiter zu senken und ihre Energieeffizienz zu verbessern. Statt sechs werden künftig nur noch vier Pumpen mit verbesserter Laufradgeometrie sowie die vier IE5-Synchronreluktanzmotoren mit einer Leistung von 30 Kilowatt eingesetzt.
Die Förderleistung wird dabei leicht erhöht. Gleichzeitig wird aufgrund des verbesserten Wirkungsgrades der Pumpen weniger Antriebsleistung benötigt. Vier Ultra-Low Harmonic Drive ACS880-31 regeln die Synchronreluktanzmotoren. Damit kann der Rücklaufschlammförderstrom an die hydraulische Belastung der Kläranlage angepasst werden. Das spart weitere Energie.
Drei Pakete für die Flockungsfiltration
Drei weitere ABB-Antriebspakete werden in der Flockungsfiltration eingesetzt. Hier besteht jedes Paket aus einem IE5-Synchronreluktanzmotor mit 55 Kilowatt Leistung sowie dem dazugehörigen Frequenzumrichter ACS880-31. Die ABB-Motoren treiben die Pumpen an, die das Abwasser rund fünf Meter anheben, damit es in der Flockungsfiltration komplett gefiltert werden kann. Im September 2020 wurde das erste Antriebspaket installiert. Die restlichen beiden folgen Anfang des nächsten Jahres.
Dank energieeffizienter Technologien brauchen wir für den Betrieb der Kläranlage heute nur noch drei Millionen Kilowattstunden, früher waren es knapp fünf Millionen.
Die Investition in die neue Antriebstechnik wird durch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit gefördert. Mit der Nationalen Klimaschutzinitiative initiiert, fördert das Bundesumweltministerium Projekte, die einen Beitrag zur Senkung der Treibhausgasemissionen leisten.